Psyche, Queerness und Gefühle zwischen den Generationen
Zwei Personen sitzen am Küchentisch: ein Vater, eine Tochter, und damit zwei Welten. „Sowas gab es bei uns früher nicht“, sagt er. „Doch, nur war es unsichtbar, weil niemand darüber geredet hat“, sagt sie. Zwischen diesen Sätzen liegt der ganze Wandel der letzten Jahrzehnte; und die Chance, ihn gemeinsam zu gestalten. Dieser Beitrag baut auf dem Podcast zum Generationendialog auf und verbindet gesellschaftliche Entwicklung mit Werkzeugen der Transaktionsanalyse für Gespräche auf Augenhöhe.
Sichtbar statt „neu“: Was wirklich passiert ist
Psychische Belastungen, queere Identitäten und ein offener Umgang mit Gefühlen sind nicht plötzlich entstanden. Sie werden in der heutigen Zeit bewusster gesehen, benannt und ernst genommen. Was früher aus Scham oder Angst „vor den Leuten“ verschwiegen wurde, bekommt heute Sprache, Raum und professionelle Hilfe. Sichtbarkeit ist kein woker „Trend“, sondern ein notwendiger Kulturfortschritt und genau diese Sichtbarkeit kann ältere Erfahrungen irritieren, ohne sie abzuwerten. Darum lohnt ein Perspektivwechsel: Nicht „früher richtig, heute falsch“, sondern „früher verborgen, heute besprechbar“.
Wenn Eltern-Ich und Kind-Ich reden — und niemand hört zu
Viele Familiengespräche kippen, weil wir unbewusst in alte Rollen rutschen: kritisches Eltern-Ich hier, trotziges oder verletztes Kind-Ich dort. So entstehen Parallelgespräche, aber keine Verständigung. Der Ausweg ist das Erwachsenen-Ich: interessiert, zugewandt, präsent. „Erzähl mir, wie du das erlebst“ öffnet Türen, die ein „Bei uns war das anders“ schließt. Gespräche von Erwachsenen-Ich zu Erwachsenen-Ich schaffen Augenhöhe — und damit Respekt, der trägt.
Vom alten Drehbuch zur gemeinsamen Geschichte
Wir alle leben mit inneren Drehbüchern — Lebensskripten, geprägt von Herkunft, Erziehung und Zeitgeist. Die gute Nachricht: Skripte lassen sich umschreiben. Die Script Helix (Summers & Tudor) beschreibt Veränderung als lebendigen Prozess. Der Vater darf Stärke neu definieren, ohne weichgespült zu werden. Die Tochter darf Verletzlichkeit leben, ohne die Erfahrung des Vaters kleinzureden. So entsteht ein neues Wir: stark und berührbar.
Zusammen reden statt übereinander urteilen
Verstehen beginnt, wenn wir uns gegenseitig zugestehen: Ich bin okay. Du bist okay. Aus dieser Haltung wächst ein Dialog, der Unterschiede nicht glättet, sondern nutzbar macht. Ältere bringen Gelassenheit und Erfahrung. Jüngere bringen Empathie und Sprache für das, was lange keinen Namen hatte. Beides zusammen macht Beziehungen, Teams und Organisationen widerstandsfähiger — am Küchentisch wie im Meetingraum.
Hören, was dazwischen schwingt — mein Podcast dazu
Wenn du tiefer einsteigen möchtest: Im Podcast spreche ich mit mienem Kollegen Thomas Lorenzen aus Hamburg genau darüber — über Generationen, Psyche, Queerness und die Kunst, einander wirklich zuzuhören. Hier geht’s zur Folge auf Spotify
Worum es mir geht
Nicht „Wer hat recht?“, sondern „Wie kommen wir in Kontakt?“ Wenn wir uns trauen, Rollen zu wechseln — vom Besserwissen ins Erwachsenen-Ich, vom Urteilen ins Zuhören — wird aus „Das gab’s bei uns nicht“ ein „Erzähl mir, was es bei euch gibt“. Daraus wachsen Verständnis, Respekt und die leise, kraftvolle Erkenntnis: Wir gehören zusammen.