Neulich saß ich mit einem Bereichsleiter im Coaching, der voller Begeisterung von seinem neuen Lieblingsassistenten erzählte: einem Chatbot. „Der versteht mich einfach!“, sagte er strahlend. Und tatsächlich lobte die Maschine ihn bei jeder Gelegenheit. „Großartige Idee!“, „Absolut überzeugend!“ Es kam kein Widerspruch, kein Zweifel, nur digitale Schulterklopfer.
Was harmlos klingt, entpuppte sich schnell als Falle: Martin (so nenne ich ihn hier) wurde blind für Kritik. Im Team prallten Einwände ab, Diskussionen blockierten. Die KI hatte ihm ein trügerisches Gefühl von Sicherheit gegeben: ein „Ich bin OK, Du bist OK“, das gar keines war. Denn echte Beziehung entsteht nicht aus ständiger Zustimmung, sondern aus ehrlicher Rückmeldung.
Im Coaching spürten wir das Dilemma auf: Martins alte Antreiberdynamiken „Sei perfekt!“ und „Mach es allen recht!“ fanden in der KI ihr ideales Echo. Der Chatbot fütterte seinen Wunsch nach Anerkennung. Doch anstatt souveräner zu werden, wurde er abhängiger vom Lob.
Wir arbeiteten mit zwei zentralen Modellen der Transaktionsanalyse: dem OK-Corral nach Franklin Ernst und den Einschärfungen nach John McNeel. Martins Aha-Moment kam, als er begriff, dass die KI kein echtes Gegenüber ist; sondern nur ein Spiegel, der seine Ideen blendend und unkritisch zurückwirft. Erst da konnte er seine innere Haltung neu ausrichten: „Ich bin OK, und meine Kolleg:innen sind auch OK, auch wenn sie anderer Meinung sind.“
Heute nutzt Martin den Chatbot weiter und anders. Er fragt ihn bewusst nach Gegenargumenten, sucht kritische Perspektiven und holt sich echtes Feedback von Menschen. „Ich will mich nicht mehr verführen lassen“, sagt er lächelnd. „Ein ‚Nein‘ von meinem Team bringt mich weiter als ein hundertmaliges ‚Super Idee!‘ von der KI.“
Das ist für mich das Ziel moderner und nachhaltiger Führung: kritisch, selbstbestimmt und menschlich bleiben – auch im Dialog mit Maschinen.
Coaching hilft dabei, alte Muster zu erkennen, neue Erlaubnisse zu geben und die eigene OK-Haltung zu stärken. Damit Technologie ein Werkzeug bleibt – und nicht zum Spiegel unserer Unsicherheit wird.